Definition & Einführung

Selbstbewusstsein und Selbstkonzept

Der Begriff Selbstbewusstsein bezeichnet zwei unterschiedliche Bereiche unserer Erfahrung. In der Alltagssprache meinen wir damit eine Art Selbstvertrauen, die sich auf eine Selbstwertgefühl gründet. Selbstbewusstsein bezeichnet darüber hinaus aber auch das Bewusstsein seiner selbst als Bewusstsein. Den Umstand, dass man sich seiner selbst als Bewusstsein gewahr ist.

Dieser Beitrag greift die alltägliche Bedeutung des Begriffs Selbstbewusstsein auf. Wir erklären Ihnen verständlich wie die Zusammenhänge funktionieren: Wie Sie es schaffen können, selbstbewusster zu werden. Sie erhalten Wissen um moderne Techniken, das Selbstbewusstsein zu stärken.

Die Wissenschaft der Psychologie führt zu wertvollen Erkenntnissen über den Menschen und sein Selbst. Das Wissen, wie Selbstwertgefühl entsteht, eröffnet neue Handlungsspielräume.

In diesem Zusammenhang ist die Kenntnis des sogenannten Selbstkonzepts und Selbstbildes von Bedeutung: Eine Person kennt ihre eigenen Merkmale wie Geschlecht, Alter und Größe. Sie weiß, was sie kann und wo ihre Schwächen liegen. Ebenso ist sie sich der eigenen Vorlieben und Abneigungen bewusst. Das Selbstkonzept besteht aus einer Ansammlung von Wissen und Begriffen über die eigene Person.

Je nachdem, wie die Person diese Eigenschaften bewertet und gewichtet, entsteht ein starkes oder schwächeres Selbstwertgefühl.

Was ist ein „Selbstkonzept“?

Das Modell des Selbstkonzepts basiert auf den Arbeiten des Harvard-Professors William James (1842 – 1910). James gilt als Begründer der Psychologie in Amerika. Die industrielle Revolution stellte das Welt- und Menschenbild der damaligen Zeit infrage. James und andere Forscher wollten ergründen, welche Merkmale den Menschen von Maschinen unterscheidet.

Das Selbstkonzept besteht aus zwei Ebenen:

  1. Die Gedanken und das Wissen einer Person über sich selbst
    Zum Beispiel: „Ich bin sportlich, ehrgeizig und kreativ.“
  2. Urteile bestimmter Ideen durch einen selbst
    Zum Beispiel: „Sportliche Menschen sind interessant und attraktiv. Ehrgeizige Menschen sind erfolgreich. Kreativität ist wichtig."

Genau genommen bilden die Gedanken über sich selbst das Selbstkonzept im engeren Sinn. Die Summe der Bewertungen führen zum Selbstwertgefühl.

Wo und wie wird es angewendet?

  • Pädagogische Ansätze beschreiben, wie das Selbstwertgefühl von Schülern gestärkt werden kann
  • Beratungsstellen helfen Eltern, ihre Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten zu erziehen
  • Psychotherapeuten unterstützen ihre Patienten hiermit

Wie kann es mir helfen?

Jeder Mensch erlebt Phasen, in denen er sich unsicher fühlt. Besonders intensiv treten Selbstunsicherheit und Minderwertigkeitsgefühle im Rahmen von Depressionen auf. Kritische Lebensereignisse wie die Trennung vom Partner, ein Umzug oder der Verlust eines nahen Angehörigen bringen derartige Gefühle ebenfalls mit sich. Dauern solche Phasen mehrere Wochen, ist es ratsam, mit dem Hausarzt zu sprechen. Arzt und Patient klären gemeinsam, ob ein Termin bei einem Psychotherapeuten notwendig ist.

Darüber hinaus trägt jede Person bestimmte Einstellungen und Muster in sich, die den eigenen Selbstwert fördern oder hemmen. Die Muster sind oft unbewusst. Ein Junge entwickelt beispielsweise ein geringes Selbstwertgefühl, wenn ihm seine Mutter erzählt, dass sie viel lieber ein Mädchen geboren hätte. Erfährt der Junge zusätzlich viel Unterstützung von anderen Familienmitgliedern, kann dies den Schaden begrenzen. Im schlimmsten Fall entwickelt er eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, die einer professionellen Behandlung bedarf.

Unbewusste Muster werden in erster Linie in der Familie und durch die Gesellschaft vermittelt. Hier tritt die soziale Komponente klar hervor. Eine Gesellschaft kann versuchen, durch Aufklärung diese Muster zu verändern. Ein aktuelles Beispiel sind Schul-Projekte zur sexuellen Vielfalt und Regenbogen-Familien, die Vorurteilen entgegenwirken sollen.

Das Selbstkonzept reicht nicht aus, um die eigene Person umfassend zu beschreiben; es besteht aus abstrakten Begriffen. Aus diesem Grund erweiterten Psychologen das Modell um das Selbstbild. Zum Selbstbild umfasst konkrete Einzelheiten:

konkrete Erfahrungen: Wie viele Männer flirten an einem Abend mit mir?

Gefühle in Bezug auf die eigene Person: Ich bin mit meinem Aussehen zufrieden.

Bedürfnisse und Motive: Ich brauche viel Zeit für mich selbst. Das spornt mich an, meine Zeit optimal einzuteilen.

Das Selbstbild ist schwieriger zu beschreiben als das Selbstkonzept, weil es sich auf der Gefühlsebene abspielt und spezielle Aspekte einer Person einbezieht. Der renommierte Persönlichkeitsforscher Prof. Julius Kuhl spricht daher davon, dass das Selbstbild mehr ist als die Summe aller Einzelheiten.

Menschen mit einem positiven Selbstbild ruhen in sich. Sie sind mit sich im Reinen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ein positives Selbstbild bedeutet nicht, dass die Person immer glücklich und erfolgreich ist. Sie hat Erfolge und Misserfolge in ihr Selbstkonzept integriert.

Das Körperbild entsteht durch die Prägung in der Familie und die öffentliche Meinung. Das Kind sportlich-schlanker Eltern wird deren Statur als „normal“ betrachten. Im Laufe der Entwicklung spielen Gleichaltrige und die Medien die wichtigere Rolle.

Das Streben nach einem schönen Körper ist in allen Kulturen und Epochen zu finden. So zwängten sich im Rokoko (Ende 18. Jahrhundert) Frauen und Männer in Korsetts. Die Frauen wollten eine Wespentaille, die Männer einen aufrechten Oberkörper mit breiten Schultern.

In jungen Jahren stehen Frauen und Männer unter hohem sozialen Druck, sich dem gängigen Schönheitsideal anzupassen. Ihr Körperbild ist umso positiver, je besser ihnen das gelingt. Die Folgen zu hoher Ansprüche an den eigenen Körper zeigt die Statistik: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zitiert eine Längsschnitt-Studie des Robert-Koch-Instituts (2003 bis 2006). Danach zeigen rund zwanzig Prozent der Jugendlichen zwischen elf und fünfzehn Jahren die Symptome einer Essstörung.

Im fortgeschrittenen Alter wird der Umgang mit dem eigenen Körper bei vielen Menschen entspannter; das Körperbild positiver oder zumindest neutral.

Das Metabild ist die Vorstellung einer Person, wie andere sie sehen. Auch das Metabild beeinflusst das eigene Verhalten und Handeln. Enttäuschungen entstehen zum Beispiel dann, wenn das Metabild nicht der Realität entspricht.

Zum Beispiel: Ein Mitarbeiter ist fest davon überzeugt, dass der Teamleiter ihm als einzigen in der Abteilung zutraut, sein Nachfolger zu werden. Der scheidende Chef schlägt offiziell einen anderen Kollegen für diesen Posten vor. Der Mitarbeiter ist schwer enttäuscht.

Viele Menschen verwechseln ihr Metabild mit der Realität. Sie glauben, dass sie wüssten, wie andere sie sehen. Aus diesem vermeintlichen Wissen heraus ziehen sie dann Schlüsse, bewerten Situationen und planen ihr Leben. Wenn man sich das jedoch genauer ansieht, entdeckt man, da ist gar kein Wissen, da sind nur Möglichkeiten und Vorurteile.

Das Fremdbild ist der Eindruck, den andere Menschen von einer Person haben. Genau genommen konstruiert jeder Mensch sein eigenes Bild über die Mitmenschen.

Diese Bilder können sehr unterschiedlich ausfallen. Eine Mutter zum Beispiel, die ihren Sohn liebt, hat ein sehr positives Bild von ihm. Der Lehrer erlebt den Jungen als unkonzentriert und aggressiv; die 90-jährige Nachbarin freut sich über seine Hilfsbereitschaft.

Das Beispiel zeigt verschiedene Einstellungen gegenüber dem Kind. Die Mutter begegnet dem Jungen mit Vertrauen und Liebe. Der Lehrer sieht in ihm den schwierigen Schüler, er findet ihn eher unsympathisch. Die alte Nachbarin ist ihm dankbar. Die drei Erwachsenen begegnen dem Jungen ihrer Einstellung entsprechend. Sie fühlen unterschiedlich und verhalten sich folglich auch anders. Damit gestalten sie die Beziehung zu ihm.

Im Laufe seiner Entwicklung entwirft der Mensch ein Bild, wie er idealerweise sein möchte. Das Idealbild ist ein Teil des Selbstkonzepts und beeinflusst das Selbstwertgefühl. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, die eigenen Potenziale und Möglichkeiten auszuschöpfen. Auf die Dosis kommt es an!

Die Autorin Lea-Patricia Kurz erklärt auf ZEIT ONLINE, dass es nicht unbedingt erstrebenswert ist, das Idealbild zu erreichen. Kurz vertritt die Ansicht, dass perfekte Menschen schnell langweilig werden und der ein oder andere Makel durchaus reizvoll erscheint.

Der Psychotherapeut Nils Spitzer beschreibt in seinen Büchern die Folgen von Perfektionismus und Optimierungswahn. Sie reichen von Burnout und chronischer Erschöpfung bis hin zu Essstörungen und Suizidgedanken.

Das normative Selbstbild entsteht beim Kind durch äußere Einflüsse. Dadurch entwickelt es im besten Fall ein realistisches Bild der eigenen Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Motive.

Das normative Selbstbild spiegelt die Ebene von Moral, Ethik und Wertvorstellungen einer Kultur oder Gesellschaft. Die geltenden Werte prägen mehr oder weniger bewusst die Erwartungen einer Gesellschaft, wie ein Individuum denkt und handelt.

Die Kultur des Westens trägt unter anderem den ethischen Stempel des Christentums. Dazu zählen zum Beispiel Nächstenliebe und Solidarität. Die Aufklärung führte zum freiheitlichen Denken und zur Trennung von Kirche und Staat. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse beeinflussten wiederum die Beziehung zur Religion.

Kultur, Famlie & Beruf

Die Kultur bestimmt den großen Rahmen der Normen. In europäischen Kulturen beispielsweise streben die Menschen nach Freiheit und Selbstverwirklichung. Der arabische Kulturkreis stellt die Familie ins Zentrum.

Die erste Prägung erfährt das Kind in der Familie – in jeder Kultur. Ob Vater oder Mutter den größeren Einfluss ausüben, liegt an der Intensität der Bindung zum jeweiligen Elternteil. Je nach Kulturkreis folgen weitere Einflüsse, wie Freundeskreis, berufliches Umfeld oder religiöse Institutionen.

In der westlich-kapitalistischen Kultur kommt dem Beruf eine größere Bedeutung zu als zum Beispiel der Mutterrolle. Die sozialen Gruppen beeinflussen das Selbstbild auf unterschiedliche Weise. Eine schwangere Frau fühlt sich im Geburtsvorbereitungskurs mehr wertgeschätzt, als auf einem Finanzkongress mit ihren männlichen Kollegen.

Traumatische Ereignisse

Laut dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10-GM-2018) kennzeichnen folgende Merkmale ein traumatisches Ereignis:

  • Schwere Bedrohung von Leib und Leben
  • Miterleben einer solchen Bedrohung als Zeuge
  • Extreme psychische Belastung

Ein Trauma kann zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. In diesem Fall wirkt sich das Trauma negativ auf das Selbstbild aus. Ein Trauma kann sich auch positiv auf das Selbstbild auswirken. Das ist der Fall, wenn ein Mensch zum Beispiel eine schwere Krankheit übersteht, ohne psychisch krank zu werden. Genauso wirkt es sich positiv aus, wenn eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht und bewältigt wird. Der Betroffene erkennt seine Stärke und gewinnt an Selbstvertrauen. Psychologen nennen diesen Prozess posttraumatisches Wachstum.

Ist mein Selbstbild fremdgesteuert?

Familiäre und gesellschaftliche Normen prägen das Selbstbild eines Kindes. Mit zunehmendem Alter kann das Individuum reflektiert mit Normen und Rollenerwartungen umgehen und sich unabhängiger davon entwickeln. Dieser Prozess heißt in der Psychologie „Individuation“. Das Selbstbild ist also nicht fremdgesteuert, jedoch durch das soziale Umfeld beeinflusst.

Kein Mensch steht für sich allein. Die verschiedenen Bilder des Selbstkonzeptes beeinflussen sich gegenseitig. Ein Mensch, der bewusst und reflektiert mit diesen Bildern umgeht, kann den Einfluss von außen zum Teil aktiv beeinflussen.

Normatives Selbstbild und Idealbild

Die Eltern sind für ein Kind der wichtigste Orientierungspunkt. Es übernimmt die Normen von Vater und Mutter. Diese Normen fließen in das Bild mit ein, das ein Heranwachsender als Ideal entwickelt.

In einer idealen Erziehung lernt das Kind jedoch auch, diese Ideale kritisch zu hinterfragen. Nichts gilt absolut.

Idealbild und Körperbild

Je mehr der reale Körper dem Idealbild entspricht, desto zufriedener ist eine Person mit ihrem Körper. Dieser Mechanismus wirkt teils bewusst, teils unbewusst.

Wer aber sagt, dass wir ein Idealbild haben müssen? Noch dazu eins, dem wir nicht entsprechen? Und was passiert, wenn unser Ideal wir selber sind?

Metabild und Körperbild

Ein Beispiel: Eine junge Frau sorgt sich, dass ihr Bauch zu dick sei. Sie weiß oder glaubt zu wissen, dass in ihrer Schulklasse mindestens drei Jungen in sie verliebt sind. Dieses Wissen mindert ihre Sorgen.

Das ganze funktioniert jedoch leider auch in umgekehrter Richtung: Weil ich denke, dass andere mich für dick halten, mag ich meinen Körper nicht.

Selbstbild und Metabild

In der Bibel steht: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Menschen, die mit sich selbst unzufrieden sind, beneiden oder idealisieren Ihr Gegenüber. Menschen, die mit sich zufrieden sind, können entweder gelassener auf andere blicken oder sie beurteilen die Mitmenschen entsprechend streng nach den eigenen Maßstäben. Fazit: Die Art wie du über andere urteilst, verrät gleichzeitig sehr viel über dich selbst.